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Sokrates' Regeln für Social Media


Dank den Sozialen Medien sind wir in der Lage mit der ganzen Welt zu kommunizieren. Während wir früher höchstens mittels eines Leserbriefes oder eines Inserates eine grössere Menschengruppe ansprechen konnten, so ist es heute allen möglich mit einem Tweet, einem Facebook-Eintrag oder einem YouTube-Video tausende Menschen zu erreichen. Dies ist eine grosse Chance, birgt aber auch gewisse Risiken. Wie können wir diese Risiken minimieren? In dem wir den Ratschlag des griechischen Philosophen Sokrates zu Herzen nehmen.

Unser Erfolg hängt ganz wesentlich von unserem Kommunikationsstil ab. Unter dem Kommunikationsstil ist die Art und Weise zu verstehen, wie wir unsere Inhalte, unsere Gedanken, Überlegungen und Argumente kundtun. Ein ungeschickter Stil kann dazu führen, dass der Inhalt, ist er auch noch so hervorragend, nicht einmal wahrgenommen oder im schlimmsten Fall sogar missverstanden wird. Missverständnisse wiederum sind oftmals der Ursprung für ausgewachsene Konflikte. 

Kürzlich habe ich mich entschieden, eine Person auf Facebook zu blockieren. Obwohl ich mich selber als tolerant bezeichnen würde, habe ich diese Person aus meinem virtuellen Freundeskreis ausgeschlossen. Der Entscheid war kein einfacher, handelte es sich bei der Person doch um jemanden, den ich seit fast zwanzig Jahren kenne und in der realen Welt durchaus auch schätzte.  Nichtsdestotrotz blieb mir nichts Anderes übrig, als diesem Menschen den Zugang zu meinem Facebook-Profil zu unterbinden.

Oftmals kritisierte diese Person meine Äusserungen oder widersprach meiner Meinung. Dies ist eigentlich eine gute Sache. Kritik und Widerspruch zwingen einem zum Überdenken seiner Ansichten und zum Finden überzeugenderer Argumente für die eigene Sache. Ein gutes kontradiktorisches Gespräch kann mit einem Sparringkampf im Boxen verglichen werden. Ein Sparringkampf verliert aber seine positive und lehrreiche Wirkung dann, wenn der Sparringpartner beginnt bewusst und regelmässig unter die Gürtellinie zu schlagen.

Genau das war das Problem mit der blockierten Person. Die Äusserungen waren nicht sachlich, nicht gewieft, nicht einmal witzig oder sarkastisch, im Gegenteil, sie waren gehässig, bösartig und beleidigend. Kurz: Die kommunikativen Angriffe waren unter der Gürtellinie.

Ich habe den Eindruck, dass sich sehr viele Menschen auf den Sozialen Medien zu unsachlichen und hasserfüllten Äusserungen hinreissen lassen. Man kann auch feststellen, dass dabei das Bildungsniveau, die Herkunft, der Wohlstand, das Geschlecht oder die politische Ausrichtung keine Rolle spielen. Hasser finden sich in allen Schichten und Altersgruppen. Der aggressive Ton wird wohl auch dadurch begünstigt, dass man der angesprochenen Person nicht direkt gegenübersitzt. Es fällt einem leichter jemanden zu beleidigen, der uns nicht direkt in die Augen schauen kann und dessen emotionale Reaktion wir nicht unmittelbar mitbekommen. Auch vermittelt die Distanz ein gewisses Schutzgefühl. Das Gegenüber kann mir eigentlich nichts anhaben, es kann mich nicht plötzlich am Kragen packen oder mir eine Ohrfeige versetzen.

Da die Sozialen Medien ein fester Bestandteil der heutigen Gesellschaft sind, kann davon ausgegangen werden, dass auch in der realen Welt eine gewisse Verrohung des Kommunikationsstils vonstattengehen wird. Dies ist meines Erachtens deshalb problematisch, weil am Anfang eines jeden ausgewachsenen Konfliktes stets eine missratene Kommunikation steht. Konkret: Je respektloser die zwischenmenschliche Kommunikation in einer Gesellschaft, desto mehr Konflikte gibt es. Dies soll nicht als Plädoyer für eine politisch korrekte Sprache verstanden werden, sondern für eine ehrliche, geradlinige aber anständige Kommunikation.

Die Kommunikationskultur ist meines Erachtens ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Gesellschaft oder einer Organisation. Egal ob in der Firma, im Verein, in der Partei, im Sportklub, in der Armee, im Parlament oder in der Familie, die Art und Weise wie die Mitglieder miteinander kommunizieren, ist entscheidend für den Erfolg und die Entwicklung deren Gesellschaft.

Im Bewusstsein darüber, dass auch meine Art der Kommunikation nicht immer perfekt ist, habe ich mir überlegt, wie man kommunikative Fehler verhindern kann. Dabei bin ich auf die Geschichte der „Drei Siebe“ von Sokrates gestossen. Obwohl der griechische Philosoph vor mehr als 2000 Jahren gelebt hatte, so haben seine Überlegungen auch in der heutigen Zeit ihre Gültigkeit.

Die drei Siebe

Eines Tages kam ein Bekannter zu Sokrates.

„Höre, Sokrates, ich muss dir berichten, wie dein Freund...“

„Halt ein“ unterbrach ihn der Philosoph. „Hast Du das, was du mir sagen willst, durch die drei Siebe gesiebt?“

„Drei Siebe? Welche?“ fragte Sokrates’ Bekannter verwundert.

„Ja! Drei Siebe! Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast Du das, was du mir berichten willst, geprüft ob es auch wahr ist?“

„Nein, ich hörte es erzählen, und...“

„Nun, so hast du sicher mit dem zweiten Sieb, dem Sieb der Güte, geprüft. Ist das, was du mir erzählen willst – wenn es schon nicht wahr ist – wenigstens gut?“

Der andere zögerte. „Nein, das ist es eigentlich nicht. Im Gegenteil...“