Erfolgsmodell Schweiz: Drei Eigenschaften

Am 1. August 2022 durfte ich in Oberhofen am Thunersee die Festansprache zum Geburtstag unserer Schweiz halten. Die Gemeinde wurde 2018 offiziell zur schönsten der Schweiz gewählt. In meiner Rede habe ich drei Erfolgsfaktoren der Schweiz herausgeschält: Der Milizgedanke, der kritische antiautoritäre Geist und die Vielfalt.
"Liebe Frauen und Männer von Oberhofen, haben Sie sich schon mal überlegt wir privilegiert ihr seid, im schönsten Dorf im wohl besten Land der Welt zu leben?
Im November sollen voraussichtlich 8 Milliarden Menschen auf der Erde leben, 2’461 davon in Oberhofen. Das heisst 99.99997 % haben es nicht so gut wie sie!
Aber auch alle übrigen Menschen, die zwar nicht Oberhofen, dafür sonst irgendeine Gemeinde in der Schweiz ihr zu Hause nennen dürfen, haben keinen Grund sich zu beklagen. Im Gegenteil, wir sollten dankbar sein, dass wir in diesem freien Land leben dürfen. Dankbar, nicht stolz. Denn schlussendlich hat es vor allem mit Glück und Zufall zu tun, dass wir Schweizerinnen und Schweizer sind.
Wir leben momentan in einer Zeit, wo die Zukunftsaussichten eher ungewiss und düster sind.
Der konventionelle Krieg ist seit dem 24. Februar zurück in Europa, die Inflationsraten schnellen in den meisten Ländern in die Höhen, eine Energiekrise zeichnet sich ab und viele Staaten häufen Schulden an, dass einem Angst und Bang wird.
Auch kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob das Kapitel Pandemie endgültig beendet ist oder nicht.
Ein anderes Problem, das meiner Ansicht nach das gefährlichste überhaupt ist, kommt noch hinzu, nämlich die Spaltung der Gesellschaft. Eine Spaltung, die in den letzten Jahren spürbar und bedeutend grösser geworden ist.
Die Toleranz innerhalb der Gesellschaft nimmt stetig ab. Meinungsvielfalt und Meinungsäusserungsfreiheit gelten in gewissen Kreisen heute als “undemokratisch”. Was wiederum zeigt, dass gewisse Menschen nicht begriffen haben was Demokratie ist.
Ein Höhepunkt der seit Jahrzehnten zunehmenden Diktatur der politischen Korrektheit wurde vor rund einer Woche erreicht, als in der Stadt Bern ein Konzert abgebrochen wurde, weil weisse Musiker Dreadlocks also Rastalocken hatten.
Kulturelle Aneignung sei dies und gehöre verboten, so die philisterhaften Gesinnungswächterinnen.
Meine Damen und Herren, auf den ersten Blick erscheint dieser Vorfall als lächerlich, er ist aber bezeichnend für eine Tendenz hin zu Denk- und Meinungsverbote, eine Tendenz, die alles andere als schweizerisch ist!
Totalitarismus hatte in der Schweiz nie einen Platz. Totalitarismus ist ein Rezept für den Misserfolg, die Schweiz ist aber bis heute ein Erfolgsmodell!
Wir haben in den letzten 731 Jahren manche Krisen bewältigt. Während andere Länder aufgestiegen und wieder gefallen sind, ist die Schweiz stetig vorwärts marschiert.
Sicher, wir gehen weniger schnell und mit weniger aufsehen vorwärts als andere, aber wir gehen vorwärts.
Jetzt stellt sich die Frage, wieso ist die Schweiz ein Erfolgsmodell? Was haben wir bis anhin besser gemacht als andere Länder?