Erfolgsrezept des besten Schwindlers aller Zeiten

Vorsicht, Leserinnen und Leser: Die Wahrheit in dieser Geschichte ist ein sich verschiebender, vielfarbiger Boden, mit facettenreichen Irrwegen in den unzähligen Identitäten eines Menschen, der sein Leben damit verbracht hat, andere zu täuschen. Stimmt die Geschichte, die ich erzähle? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es ist der schmale Grat zwischen Leben und Legende, der sich in einer Vielzahl von Namen, Geschichten und Vergangenheiten eines schwer fassbaren Mannes, eines Betrügers, auftut: Das war Viktor Lustig (1890-1947). Das ist der Mann, der aus Böhmen kam und es schaffte, den höchsten Turm von Paris, das Meisterwerk von Gustave Eiffel, nicht nur einmal, sondern zweimal zu verkaufen.
Aber was, wenn dieser Name nur eine weitere Täuschung ist? Spielt keine Rolle. Das ist Filmmaterial. Also glauben Sie es einfach und alles wird gut: schräge und romantische Abenteuer aus einer anderen Zeit, die sich ganz analog und durchtrieben abspielen. Eines Tages sagte ein amerikanischer Geheimdienstler, der Victor Lustig verfolgte: "Verdammter Lustig. Vergänglich wie Zigarettenrauch und faszinierend wie der Traum einer jungen Frau".
Liebe Leserinnen und Leser, neben der Tatsache, dass die Geschichte von Victor Lustig sehr unterhaltsam und faszinierend ist, können wir auch von diesem Schwindler lernen. Victor Lustig hat nämlich sogar seine zehn Erfolgsregeln niedergeschrieben. Jene Regeln, die es ihm erlaubt haben, so unglaublich viele Menschen zu überzeugen und hinter das Licht zu führen. Die Regeln sind einfach und eigentlich überhaupt nicht bösartig. Wer diese Regeln mit guter Absicht anwendet, dem können sie durchaus auf dem rechtmässigen Weg nützlich sein.
Aber kommen wir nun zur Geschichte von Victor Lustig.
Eine südwestliche Brise füllte am 27. April 1936 die strahlend weißen Segel der Ausflugsboote, die über die San Francisco Bay segelten. Durch das Kabinenfenster eines Fährbootes betrachtete ein Mann den Horizont. Seine müden Augen waren mit Kapuzen bedeckt, sein dunkles Haar nach hinten gekämmt, seine Hände und Füße in Eisenketten gelegt. Hinter einem Vorhang aus grauem Nebel erhaschte er einen ersten, furchterregenden Blick auf die Insel Alcatraz.

"Graf" Victor Lustig, damals 46 Jahre alt, war Amerikas gefährlichster Hochstapler. In seiner langen kriminellen Karriere hatte er das Amerika der Jazz-Ära und den Rest der Welt mit seinen krummen Dingern und Trickbetrügereien erschüttert. In Paris hatte er den Eiffelturm in einem dreisten Betrugsspiel verkauft - nicht nur einmal, sondern zweimal. Schließlich wurde Lustig 1935 gefasst, nachdem er eine so umfangreiche Banknotenfälschungsaktion eingefädelt hatte, dass sie das Vertrauen in die amerikanische Wirtschaft zu erschüttern drohte. Ein Richter in New York verurteilte ihn schliesslich zu 20 Jahren Haft auf Alcatraz.
Lustig war anders als jeder andere Häftling, der auf dem Felsen ankam. Er kleidete sich wie ein Filmidol, besaß einen hypnotischen Charme, beherrschte fünf Sprachen fließend und umging das Gesetz wie eine Figur aus der Romanwelt. Tatsächlich beschrieb ihn das Milwaukee Journal als "eine Romanfigur". Ein Secret-Service-Agent schrieb, Lustig sei "so schwer fassbar wie ein Hauch von Zigarettenrauch und so charmant wie der Traum eines jungen Mädchens", während die New York Times einen Leitartikel schrieb: "Er war nicht der handküssende Typ eines Scheingrafen - dafür war er zu schlau. Statt theatralisch, war er immer der zurückhaltende, würdevolle Adlige."
Der gefälschte Titel war nur die Spitze von Lustigs Irreführungen. Er benutzte 47 Decknamen und trug Dutzende falscher Pässe bei sich. Er schuf ein so dichtes Netz von Lügen, dass seine wahre Identität bis heute geheimnisumwittert bleibt. Auf seinen Alcatraz-Papieren nannten ihn die Gefängnisbeamten "Robert V. Miller", was nur ein weiteres seiner Pseudonyme war. Der Betrüger hatte immer behauptet, er stamme aus einer langen Reihe von Aristokraten, die europäische Schlösser besaßen, doch neu entdeckte Dokumente enthüllen bescheidenere Anfänge.