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Pirate's Library: "Ten Lessons for a Post Pandemic World" von Fareed Zakaria


Folgend eine Besprechung des Buchs «Ten lessons for a post pandemic World» von Fareed Zakaria, das von der W. W. Norton Company im Oktober 2020 herausgegeben wurde.



Ich muss zugeben, dass ich es mir zweimal überlegt habe, ob ich das Ende 2020 erschienen Buch «Ten Lessons for a post pandemic World» lesen soll oder nicht.


Als erstes hat mich der Titel etwas stutzig gemacht, ich habe mich gefragt wie kann jemand schon ein Buch mit Lehren für die Zeit nach der Pandemie schreiben, wenn die Pandemie noch gar nicht überstanden ist? Ich befürchtete, dass das Buch lediglich eine Aufzählung von Momentaufnahmen ist und daraus irgendwelche Erkenntnisse abgeleitet werden, die durch die Ereignisse von morgen bereits wieder widerlegt werden.


Zweitens hatte ich auch gewisse Zweifel, weil der Autor Fareed Zakaria CNN Journalist ist. Nicht selten sind Bücher von Starjournalisten eher Selbstdarstellungen der Autoren mit der Absicht, die eigene Agenda und die eigenen Interessen zu vermarkten, als ein ehrliches Unterfangen die aktuellen Probleme sachlich zu durchleuchten.


Trotz meinen Zweifeln habe ich das 320 Seiten starke Buch gekauft und zum Glück habe ich mich nicht durch meine Zweifel leiten lassen. Das Buch von Fareed Zakaria, dem indischstämmigen, CNN-Journalisten mit einem Doktortitel von Harvard liefert nämlich zahlreiche interessante Denkanstösse.


Klugerweise hält er sich Fareed von den täglichen, nicht selten auch ideologisch gefärbten Streitereien um die Sinnhaftigkeit von Masken, Lockdowns oder Social Distancing fern. Auch verbreitete er keine Untergangsstimmung.


Besonders gefallen hat mir seine sachliche und nüchterne Betrachtungsweise. Zakaria ist zwar durchaus kritisch, er verfällt aber nicht in ein Trump-Bashing, in eine Verteufelung Chinas oder in die Glorifizierung irgendeiner Ideologie oder Staatsform. Zakaria macht eigentlich nichts anderes als eine kritische Lagebeurteilung.


Dabei beleuchtet er Themen wie Governance, Urbanisierung, Globalisierung, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft. Was Zakaria in seinem Buch bietet ist spannender «angewandter Geschichtsunterricht».


Fareed ist intelligent und wortgewandt. Man spürt seine Neugierde für die verschiedenen Facetten der Weltgemeinschaft. Nie kommt Zakaria besserwisserisch oder gar klugscheisserisch rüber.


Als Leser hat man das Gefühl, dass Fareed Zakaria nicht nur ein kluger und wissender, sondern auch ein bescheidener Beobachter und Analytiker ist.


Farreed beobachtet die Welt nicht durch eine ideologisch gefärbte Brille, sondern mit grosser Offenheit und Toleranz. Er akzeptiert und betrachtet unterschiedliche Weltanschauungen gleichberechtigt. So gelingt es ihm auch, die komplexen Zusammenhänge zu erkennen sowie Stärken und Schwächen bei allen auszumachen.


Ein schönes Beispiel dafür ist, dass sich Zakaria von der ewigen Diskussion ob nun ein grosser starker Staat oder ein Minimalstaat besser sei, löst. Er kommt zum Schluss, dass nicht die Grösse der entscheidende Erfolgsfaktor ist, sondern die Qualität der Regierung und des Staatsapparates.


Zakaria liefert denn auch Beispiele dafür, wie stark zentralisierte bürokratische Staaten genauso wie kleine dezentrale Staatssystem im Zusammenhang mit Covid versagt oder auch reüssiert haben.


Als ein positives Beispiel für einen qualitativ gut funktionierenden Staat nennt er Dänemark. Ein Land, dass die Balance zwischen staatlicher Effizienz, freier Marktwirtschaft grosser individueller Freiheit und Gleichheit schafft.


Der Autor betont aber auch, dass man ein erfolgreiches System nicht so einfach auf jedes andere beliebige Land übertragen kann. Als kleines und homogenes Land am Rande der Weltpolitik ist Dänemark das genaue Gegenteil der multikulturelle Weltmacht USA


Die Probleme aber auch die Chancen unserer Welt sind vielschichtig. Die heutige weitverbreitete Sicht, dass die Ursache aller Probleme bei den USA und dem Kapitalismus zu finden sind, widerlegt er genauso, wie die Behauptung, dass der Kapitalismus das allein seelig machende ist.


Statt irgendwelchen links oder rechts gefärbten Einheitsbrei aufzutischen, liefert Zakaria ganz viel Stoff zum Nachdenken. Er verschont auch seine eigene elitäre eher linke Klasse nicht, diese "Meritokratie" von dem am besten Gebildeten und Bessergestellten, macht er sanft, aber dennoch unmissverständlich für die Vertiefung der Kluft zwischen Stadt und Land, zwischen den Eliten und den weniger gut gestellten verantwortlich.


Es mag wohl einigen Leserinnen und Lesern nicht passen, dass er diese zuweilen selbstherrlichen Elite dafür verantwortlich macht, dass sie die weniger privilegierten Menschen in die Arme von linken und rechten populistischen Bewegungen treiben.


Er weist auch darauf hin, dass heute auf der ganzen Welt fast nur Leute mit einer höheren tertiären Ausbildung in den Regierungen und Parlamenten sitzen. Von einer echten Volksvertretung kann also nicht mehr die Rede sein.

In der NZZ vom 27. Februar wurde ein interessanter Artikel von Martin Beglinger zu diesem Thema publiziert: "Sind die Schlauen zu mächtig? - Ein Bildungsgraben spaltet die Gesellschaft"

Zakaria betont aber auch, wie wichtig es ist, dass Experten angehört werden und Entscheidungsträger nicht einfach nur mit ihrem Bauchgefühl führen können:


"The greatest moral failing of meritocracy is the belief that your success, your higher perch in society, makes you superior in any fundamental sense. After all, in democracies, at least, the people’s wishes are the ultimate source of authority. So, let’s be clear, as we navigate this pandemic and future crises, people need to listen to the experts. But the experts also need to listen to the people."


Ein Kapitel widmet Zakaria der Urbanisierung unserer Welt. Dies ist meines Erachtens ein ganz spannendes Thema.


Städte werden trotz der Pandemie weiterwachsen und weiter an Bedeutung gewinnen, ist Zakaria überzeugt.


Stadtpräsidenten grösser Städte werden künftig mehr Macht haben, als Staatspräsidenten mittlerer und kleiner Nationen.


Modelle wie die Idee der «ville du quart d’heure» wie sie in Paris umgesetzt werden soll, werden Jahrzehnte lange Raumplanung völlig über den Haufen werfen.


Spannend sind auch Zakaria Gedanken zu China. Der Autor ist der Überzeugung, dass wir uns in Richtung einer bipolaren Welt bewegen mit den USA und China als die entscheidenden Weltmächte.


Interessant ist auch die Entkräftung der Behauptung, wonach sich die USA auf dem Abstieg befinde. China hat sich im Gegensatz zu den USA einfach rascher vorwärtsentwickelt. Die Wirtschaftskraft der USA ist aber in den letzten Jahren nicht zurückgegangen, ganz im Gegensatz zu jener Europas.


"As China has risen in economic power, it is Europe, not America, that has slipped. America’s share of global GDP has stayed roughly constant since 1980. Since 1990, the countries that now compose the EU saw their share of the world economy shrink from 30% to below 20%, and geopolitically, the EU is still mostly ineffective as a single power. The richest European nation, Germany, is about a quarter the size of China’s economy. Other countries are not even in the same league."


Wirtschaftlich und militärisch sind die USA und China nun auf weiter Flur alleine an der Spitze. Die Frage, die sich stellt ist, wie die USA und China mit dieser Situation umgehen.


Für Zakaria gibt es diesbezüglich grosse Gefahren, aber auch grosse Chancen. Schwierig ist die Situaton auch deshalb, weil mit Xi Jinping ein ganz anderer Wind durch China weht, als dies noch mit Deng Xiaoping der Fall war.


Xi hat seine persönliche Macht massiv ausgebaut, er hat den Einfluss der kommunistischen Partei auf die Wirtschaft und die Gesellschaft verstärkt, den Informations- und Kapitalfluss extrem reguliert und er betreibt eine viel schärfere und offensiveri Aussenpolitik als noch sein Vorgänger.


Eine Tatsache, die wir uns kaum bewusst sind, ist die, das China in Asien immer stärker isoliert dasteht. China wird durch die anderen Länder als militärische Bedrohung wahrgenommen. Dies führt dazu, dass der militärische Einfluss der USA in Asien stark zunimmt. Sogar Vietnam hat nun mit den USA ein Militärbündnis gemacht.


Eine militärische Auseinandersetzung wäre aber eigentlich absurd. Doch wenn man die Geschichte der Menschheit anschaut, hat es schon manche absurde kriegerische Auseinandersetzung gegeben.


Die beiden Länder sind nämlich stark voneinander abhängig. Der Wert des täglichen Warenfluss zwischen den USA und China beträgt zwei Milliarden US Dollars. Zum Verglich: Der Warenfluss während der letzten bipolaren Zeit, dem Kalten Krieg, zwischen den USA und der Sowjetunion betrug nicht einmal zwei Milliarden pro Jahr!


Zakaria dazu: "Looking at the shape of international politics in the future, it’s clear – bipolarity is inevitable. A cold war is a choice”.


Also, es lohnt sich wirklich dieses Buch zu lesen. Sie brauchen aber eine gewisse Offenheit und die Bereitschaft die eigene Meinung zu hinterfragen oder zu revidieren. Es ist kein Buch für Leute, die sich ihre rechte oder linke politische Sicht durch den Starjournalisten Fareed Zakaria bestätigen lassen wollen. Es ist ein Buch für Menschen, die neugierig und lernbereit sind


Und, ja, die Dänen, die Neuseeländer oder Singapur haben die Pandemie bislang sehr gut bewältigt, während die USA weniger geschickt agiert haben. Aber dafür haben sie weder das Iphone, den PC, den Tesla, das Internet, künstliches Fleisch, 3D Ocean Farms etc erfunden.


Kurz: Alle Systeme haben Stärken und Schwächen. Ein ideologisch gefärbtes Schwarz-Weiss-Denken hilft uns aber definitiv nicht weiter, um kommende Herausforderungen zu meistern.


Schlussfolgerung: Das Buch "Ten lessons for a post pandemic world” von Fareed Zakaria ist defenitiv lesenswert!


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