Die Kunst sich kritisieren zu lassen

Egal wer man ist und was man tut, - Schriftsteller, Politiker, Sportler, Unternehmer oder Angestellter - Kritik wird meist als unangenehm empfunden. Gleichzeitig ist Kritik aber auch der Schlüssel zur persönlichen und beruflichen Entwicklung. Die Fähigkeit, Kritik zu geben und anzunehmen, gehört zu den wichtigsten Fähigkeiten, die man sich aneignen sollte, um ein erfolgreiches, aber auch glücklicheres Leben zu führen.
Ich will damit nicht sagen, dass wer erfolgreich ist, gleichzeitig auch glücklich ist. Wer aber nicht in der Lage ist mit Kritik umzugehen, wird mutlos und diese Mutlosigkeit wiederum führt zu einer inneren Frustration.
Kritik zu üben, mag auf den ersten Blick ziemlich einfach erscheinen. Doch wenn man eine andere Person – egal ob dies unser Partner, ein Unterstellter, unser Freund oder Vorgesetzter ist – auf Schwächen in ihrem Tun hinweisen muss, dann ist dies meines Erachtens alles andere als einfach. Einerseits weiss ich, dass ich die Person wahrscheinlich mit meiner Kritik emotional berühren werde, deshalb kann ich nicht vorhersehen, was meine Kritik bei dieser Person für Gefühle auslöst, andererseits stellt sich der Kritisierende in eine Art Machtposition, und man muss aufpassen, dass man als Kritisierender nicht arrogant oder schulmeisterlich wirkt. Vor allem gegenüber Menschen, die uns am Herzen liegen, wollen wir ja keine unnötigen negativen Gefühle provozieren.
Kritik entgegenzunehmen ist ebenfalls nicht einfach. Das Problem mit Kritik ist, dass dadurch unser Selbstwertgefühl in Frage gestellt wird. Obwohl – und ich spreche jetzt nur von gut gemeinter Kritik – zwar unser Handeln bemängelt wird, empfinden wir Kritik als ein Urteil über uns als Mensch. Dadurch wird unsere Gefühlswelt aufgewühlt und das wiederum führt zu irrationalen und unlogischen Reaktionen unsererseits.
In diesem Artikel befasse ich mich mit der Problematik oder der Kunst des kritisiert werden. Die Art und Weise des Kritisierens thematisiere ich in der nächsten Publikation.
Es spielt keine Rolle, wie sie sich entscheiden, ihr Leben zu leben - ob sie ein Unternehmen aufbauen oder in einer Firma arbeiten; ob sie Kinder haben oder sich entscheiden, keine Kinder zu haben; ob sie die Welt bereisen oder ihr ganzes Leben lang in derselben Stadt bleiben; ob sie fünfmal pro Woche ins Fitnessstudio gehen oder jeden Abend auf der Couch sitzen - was immer sie tun, jemand wird sie dafür verurteilen. Es wird immer Hasser und schwierige Menschen geben.
In diesem Zusammenhang hier eine kleine Fabel von Aesop:
Ein Vater und sein Sohn waren einst an einem heissen Tag mit ihrem Esel auf dem Weg zum Markt in der nahegelegenen Stadt.
Als sie neben dem Esel hergingen, ging ein Mann an ihnen vorbei und sagte: "Ihr Dummköpfe, wozu ist ein Esel da, ausser um darauf zu reiten?" Da setzte der Mann den Jungen auf den Esel, und sie gingen ihren Weg weiter.
Bald darauf kamen sie an einer Gruppe von Männern vorbei, von denen einer sagte: "Seht den faulen Jungen, er lässt seinen Vater marschieren, während er reitet." Also befahl der Vater seinem Jungen, abzusteigen, und stieg selbst auf den Esel.
Nach kurzer Zeit kamen sie an zwei Frauen vorbei. Eine der beiden sagte zur anderen: "Eine Schande dieser bequeme Vater, er lässt sich vom Esel tragen und sein armer kleiner Sohn muss in dieser Hitze laufen."
Der Vater wusste nicht mehr, was er tun sollte, aber schliesslich setzte er seinen Jungen vor sich auf dem Esel. Inzwischen waren sie in die Stadt gekommen, und eine vor einem Kaffeehaus sitzende Gruppe begann zu spotten und auf sie zu zeigen. Der Vater hielt an und fragte, worüber sie spotteten. Die Leute sagten: "Schämt ihr euch nicht, dass ihr euren armen Esel derart überladen habt ihr Faulsäcke. Du und Dein Sohn sind ja nicht wirklich Leichtgewichte?"
Der Mann und der Junge stiegen ab und versuchten zu überlegen, was sie tun sollten. Sie überlegten und überlegten, bis sie schliesslich die Vorder- und Hinterbeine des Esels zusammenbanden, eine Stange dazwischen stiessen, diese auf ihre Schultern hoben und den Esel begannen zu tragen. Jetzt fing die ganze Menge auf dem Marktplatz zu lachen und zu grölen.
"Das wird euch eine Lehre sein", sagte ein alter Mann, der ihnen gefolgt war: